Die Palliativmedizin hat ein klares Ziel: Leiden lindern und Lebensqualität verbessern, wenn eine heilbare Erkrankung nicht mehr möglich ist. In diesem Kontext gewinnt Cannabis in der Palliativmedizin zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Studien und klinische Erfahrungen zeigen, dass Cannabis-Extrakte und -Präparate Schmerzen lindern, Übelkeit reduzieren und das Wohlbefinden von Patienten steigern können.
Doch wie genau wirkt Cannabis in der palliativen Versorgung? Welche Präparate eignen sich? Welche Dosierungen und Nebenwirkungen sind zu beachten? In diesem umfassenden Guide beantworten wir alle wichtigen Fragen rund um den therapeutischen Einsatz von Cannabis in der Palliativmedizin.
Warum Cannabis in der Palliativmedizin relevant ist
Palliativmedizinische Patienten leiden oft unter komplexen Symptomen:
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Chronische Schmerzen
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Übelkeit und Erbrechen, z. B. durch Chemotherapie
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Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust
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Schlafstörungen und Angst
Konventionelle Medikamente lindern diese Symptome nicht immer ausreichend. Hier zeigt Cannabis seine Stärke: Es wirkt multimodal, also auf verschiedene Beschwerden gleichzeitig, und kann so die Lebensqualität deutlich verbessern.
Studien legen nahe, dass Cannabis in der Palliativmedizin besonders dort effektiv ist, wo herkömmliche Therapien an ihre Grenzen stoßen.
Wirkstoffe und Mechanismen
Cannabis enthält über 100 Cannabinoide, von denen THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) die bedeutendsten für die palliativen Effekte sind.
THC
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Psychoaktiv, steigert Appetit und Wohlbefinden
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Schmerzlindernd durch Bindung an CB1- und CB2-Rezeptoren
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Wirkt antiemetisch (reduziert Übelkeit und Erbrechen)
CBD
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Nicht psychoaktiv
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Entzündungshemmend und schmerzlindernd
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Reduziert Nebenwirkungen von THC, z. B. Angst oder Paranoia
Weitere Effekte
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Verbesserung des Schlafs
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Stimmungsaufhellung und Reduktion von Angst
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Unterstützung der Schmerztherapie bei chronischen und neuropathischen Schmerzen
Studienlage zu Cannabis in der Palliativmedizin
Die Forschung differenziert zwischen präklinischen Studien (Tier- und Laborversuche) und klinischen Studien mit Patienten.
Schmerztherapie
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Zahlreiche Studien belegen, dass THC/CBD-Kombinationen Schmerzen bei Krebspatienten, chronischen Erkrankungen oder neuropathischen Schmerzen lindern.
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Nabiximols (Sativex) ist ein zugelassenes Spray, das nachweislich die Schmerzintensität reduziert.
Übelkeit und Erbrechen
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THC-haltige Präparate wie Dronabinol und Nabilon zeigen hohe Wirksamkeit bei chemotherapieinduzierter Übelkeit.
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Patienten berichten von deutlich weniger Erbrechen und höherem Wohlbefinden.
Appetit und Gewichtsmanagement
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THC steigert Hunger und Kalorienaufnahme, besonders bei Krebspatienten oder in der AIDS-Therapie.
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Hilft Gewichtsstabilität zu erhalten oder Gewichtsverlust entgegenzuwirken.
Lebensqualität
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Studien zeigen eine Verbesserung der psychischen Stabilität, des Schlafs und der allgemeinen Lebensqualität durch gezielte Cannabinoidtherapie.
Cannabispräparate in der Palliativmedizin
Es gibt verschiedene Darreichungsformen, die je nach Patient und Symptomatik eingesetzt werden:
| Präparat | Wirkstoff | Anwendung | Bemerkung |
|---|---|---|---|
| Dronabinol | THC | oral, Übelkeit, Appetit | rezeptpflichtig |
| Nabilon | THC-Analog | oral, Chemotherapie-Übelkeit | ähnlich wirksam wie Dronabinol |
| Nabiximols (Sativex) | THC/CBD 1:1 | Spray, Schmerzen, Spastik | Mundspray, kontrollierte Dosierung |
| CBD-Öl | CBD | Entzündungen, Angst, Schlaf | Ergänzend, nicht psychoaktiv |
Einnahmeformen
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Oral: Tabletten, Kapseln oder Öl – länger anhaltende Wirkung
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Sublingual: Schnelle Aufnahme über die Mundschleimhaut
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Inhalation/Vaporizer: Sofortige Wirkung, gut für akute Schmerzspitzen
Dosierungsempfehlungen
Die Dosierung sollte stets individuell angepasst werden. Generell gilt: Start low, go slow – also niedrig beginnen und langsam steigern.
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Anfänger: 2–5 mg THC pro Dosis
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Erfahrene Patienten: 5–10 mg THC, je nach Verträglichkeit
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CBD: 5–50 mg pro Tag, abhängig von Symptomatik
Tipp: Eine ärztliche Begleitung ist zwingend, um Nebenwirkungen zu minimieren und die Therapie zu optimieren.
Nebenwirkungen und Risiken
Cannabis ist im Allgemeinen gut verträglich, dennoch können Nebenwirkungen auftreten:
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Psychoaktive Effekte (THC) – Euphorie, Angst, Paranoia
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Müdigkeit, Schläfrigkeit, Schwindel
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Mundtrockenheit und rote Augen
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Wechselwirkungen mit Medikamenten (Blutdruckmedikamente, Schmerzmittel, Antidepressiva)
Sicherheitshinweise:
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Immer ärztlich abklären, insbesondere bei Polypharmazie
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Niedrige Anfangsdosierung wählen
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Bei älteren oder geschwächten Patienten besondere Vorsicht
Praxisbeispiele aus der Palliativmedizin
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Krebspatienten mit Chemotherapie
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Einsatz von Dronabinol 30 Minuten vor Mahlzeiten oder Behandlung
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Ergebnis: reduzierte Übelkeit, gesteigerter Appetit, weniger Gewichtsverlust
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Chronische Schmerzen bei multipler Sklerose oder Krebs
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Nabiximols-Spray zur Schmerzreduktion, oft in Kombination mit Opioiden
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Ergebnis: verbesserte Schmerzkontrolle und Lebensqualität
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Schlaf- und Angstprobleme
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CBD-Öl abends
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Ergebnis: bessere Schlafqualität und Reduktion von Angstzuständen
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Integrative Therapie
Cannabis sollte immer Teil eines ganzheitlichen palliativmedizinischen Konzepts sein:
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Schmerztherapie
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Psychologische Unterstützung
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Physiotherapie und Bewegung
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Ernährungstherapie
Ziel: Multimodale Verbesserung von Lebensqualität, Symptomkontrolle und Wohlbefinden.
Zukunftsperspektiven und Forschungslücken
Obwohl die Wirksamkeit von Cannabis in der Palliativmedizin zunehmend anerkannt wird, gibt es weiterhin offene Fragen:
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Optimale Dosierung und Einnahmeform für unterschiedliche Symptome
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Langzeitwirkungen und Sicherheit bei chronischem Einsatz
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Effekte von spezifischen Cannabinoid-Kombinationen
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Integration in multimodale Therapiepläne
Klinische Studien der nächsten Jahre werden weitere Erkenntnisse liefern, um Cannabis noch gezielter in der Palliativmedizin einzusetzen.
Tabelle: Symptome und passende Cannabistherapie
| Symptom | Präparat / Wirkstoff | Anwendung |
|---|---|---|
| Chronische Schmerzen | Nabiximols, THC-Öl | Sublingual oder oral |
| Übelkeit / Erbrechen | Dronabinol, Nabilon | Vor Chemotherapie oral |
| Appetitlosigkeit | THC-haltige Präparate | Vor Mahlzeiten, oral oder sublingual |
| Schlafstörungen | CBD-Öl | Abends, sublingual oder oral |
| Angst / Unruhe | CBD-Öl oder niedrige THC-Dosis | Über den Tag verteilt |
Fazit: Cannabis in der Palliativmedizin sinnvoll einsetzen
Cannabis in der Palliativmedizin bietet eine wertvolle Ergänzung zu klassischen Therapien:
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Symptomlinderung: Schmerzen, Übelkeit, Appetitverlust, Schlafstörungen
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Lebensqualität steigern: Körperliches und psychisches Wohlbefinden verbessern
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Individuelle Anpassung: Dosierung, Präparat und Einnahmeform nach Patientensituation
Cannabis ist kein Ersatz für Standardtherapien, aber ein wirksames Werkzeug, um das Leiden in der letzten Lebensphase zu lindern. Wer es gezielt und verantwortungsbewusst einsetzt, kann den Patienten eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität ermöglichen.

